Ass D WK 99 Füs Bat 62 (1.2.99-19.2.99)

 

Gespannt rückte ich am Mo, 25.1.99 in den KVK ein. Denn nun galt es Theorie in die Praxis umzusetzen und meine Einheit für einen Einsatz, der 2 Wochen lang während 24 Std. während 7 Tage in der Woche dauert sollte, vorzubereiten und im Einsatz zu führen.

Schon bald war es klar, dass die Informationslage eher knapp sein würde: Zwar lag ein Einsatzbefehl auf Stufe Bataillon vor, doch dieser unterschied sich kaum von den bekannten WK-Befehlspaketen. Information über die lokale Zivilbevölkerung oder über die Lage bei den zu betreibenden Notunterkünften (NUK) fehlte. Befehlspakete, Einsatzweisungen oder Verhaltensregeln der abzulösenden Einheiten vor Ort waren nicht vorhanden. Einzig folgende Information war gesichert: Mein eigener Auftrag, die mir zur Verfügung stehenden personellen Mittel und der Ablösezeitpunkt der im Einsatz stehenden Tessiner Einheit.

Der Umstand dreier Chefs (BFF, Ter Div 9, Ter Div 4) gleichzeitig zu dienen, half nicht unbedingt bei der Informationsklärung.

 

Auftrag

Füs Stabskp 62 (+/-)

  • betreibt und schützt Notunterkunft (NUK) Mollis,
  • hält sich bereit, je ein Sicherungs- und Betreuungselement zu stellen.

 

Neben diesem Auftrag, waren folgende neue Geräte bei der Truppe einzuführen: Feldtelephon 96 (FTf 96), Wärmebildgerät 90 (WBG 90) mit Videoanschluss und die Restlichtverstärkerfamilie (RLV).

Sämtliche Spezialistenkurse wurden dagegen gestrichen.

 

Mittel

Meiner Einheit (Füs Stabskp 62) wurde die Füs Kp I/62 unterstellt. Zusätzlich erhielt jede Einheit eine Sanitätspatrouille bestehend aus einem Arzt und zwei San Sdt zugewiesen. Diese Sanitätspatrouille hatte nicht nur die sanitätsdienstliche Versorgung der eigenen Truppe sicherzustellen, sondern war auch für die sanitätsdienstliche Versorgung der Schutzsuchenden verantwortlich. Dies beinhaltete bei Neuankömmlingen eine Art erweiterte sanitarische Eintrittsmusterung und tägliche Arztvisiten.

Auf ziviler Seite arbeitete man mit einem NUK-Betreiber zusammen, der die eigentliche Einsatzverantwortung am Objekt trug. Weibliches Sicherheitspersonal (Securitas) unterstützte in verschiedenen Bereichen wie Durchsuchen von weiblichen Schutzsuchenden oder wie das Begleiten von Frauen zum Wäsche waschen. Eine Krankenschwester übernahm die Untersuchung von schutzsuchenden Frauen.

Zusätzlich sollte das Know-how der Betreuungssoldaten aus dem Betreuungszug der Rgt Stabskp beim Betrieb der NUK unterstützen. So erhielten Einheiten, welche die Schutzsuchenden zu betreuen hatten, je ein Detachement Betreu Sdt bestehende aus 1 Grfhr und 2-3 Sdt.

Für die Einführung des FTf 96 wurde jeder Einh ein Uem Trupp zugewiesen, der während acht Tage dieses Gerät detachementsweise einführte.

Die zwei Ter Gren Z standen nicht im Ass D, weil sie diesen November in Isone einen Umschulungskurs zu bestehen haben.

 

Zeitpunkt der Ablösung

Die Verantwortung über die Auftragserfüllung ging am Do, 4.2.99, 0900 an meine Einheit über.

 

KVK

Als klar wurde, dass die restliche Information selbst vor Ort zu beschaffen war, entschied ich mich NUK, Trp Ukft und Ausbildungsplätze zu erkunden. Nach wenigen Telephonaten waren Zeiten und Treffpunkte mit den unterschiedlichen Ansprechpartnern (abzulösender Kp Kdt, Orts Qm, Ausbildungsabschnitt, Zeughaus) für Mittwoch 27.1.99 abgemacht. Nach dieser unabdingbaren Erkundung mussten folgende Befehle und Arbeitsunterlagen erarbeitet, ausgearbeitet oder zumindest redigiert werden:

 

Letztes sollte jedoch erst am Abend des Einrückungstags gesichert festgehalten werden.

Gleichzeitig gingen Zfhr und Grfhr nach Bern in einen durch das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) zentral geleiteten dreitägigen (Di-Do) KVK.

Am Freitag KVK ging die Verantwortung für die Vorbereitung der Kader an den Kp Kdt über.

 

Organisation/Einsatzplanung

Zwar strebte ich eine Viererorganisation (Einsatzelement, Eingreifreserve, Einsatzreserve und Heimurlauber) der Kp an, doch die trotz Verstärkung zu geringen Bestände vereitelten dieses Vorhaben unlängst. Ich entschloss mich daher zur Bildung einer Einsatzkompanie ad hoc bestehend aus der Füs Kp I/62 plus Teilen der Füs Stabskp 62 (+/-) (Si Sdt, Vsg/Füs Sdt). Wegen der prekären Personalsituation der Einrückungsbestände, musste ich die Bestände zusätzlich noch mit Waffenmechaniker und Na/Aufkl Sdt komplettieren. Übrig blieb schliesslich nur noch ein Rumpf der Füs Stabskp 62 (+/-) bestehend aus 24 Ada (5 Of, 1 Fw, 5 Uof und 13 Sdt). Meinem Stellvertreter übertrug ich die Führung dieser Rumpfkompanie Füs Stabskp 62 (+/-), welche in Affoltern am Albis zurückbleiben sollte.

Aus Bestandesgründen musste ich also zu einer Organisation dreier gleich grossen Elementen wechseln. Jedes dieser Elemente war in der Lage, selbständig die NUK während 48 Std. zu sichern sowie zu betreiben:

 

 

Einsatzelement:

Bestehend aus einem Sicherungsdetachement (1 Det C, 3 Grfhr und 9 Sdt) und einem Betreuungsdetachement (1 Det C, 2 Grfhr und 4 Sdt). 

Einsatzreserve:

Die Sdt aus diesem Element hatten einen Ausbildungsauftrag, mussten aber gleichzeitig die Eigensicherung der Trp Ukft gewährleisten. Sie hielten sich im Marschbereitschaftsgrad III bereit, eine zweite NUK irgendwo in der Schweiz zu betreiben und zu sichern oder als Eingreifreserve das eigene Einsatzelement zu unterstützen. Diesem Element wurde jeweils am ersten Tag einen Ausgang gewährt, wobei sich der Ausgangsrayon auf Mollis und Näfels beschränkte.

 

Heimurlauber:

Nach 48-stündigem Einsatz erhielt jeder Ada 48 Std. Heimurlaub, um danach während 48 Std. als Einsatzresserve Dienst zu tun. Die Alarmierung jedes einzelnen wurde sichergestellt und auch ausgetestet. Die Heimurlauber befanden sich im Marschbereitschaftsgrad I auf 12 Std.

 

Da das Betreuungsdetachement in einem Schichtbetrieb von 0630-1330 und von 1330 bis 1930 arbeitete, das Sicherungsdachement jedoch 24 Std. im Tag im Einsatz stand, musste ein separater Tagesablauf im Bf für den Dienstbetrieb festgelegt werden:

 

Einsatzelement Sicherung

0900-2400

Einsatz

Det C

NUK Mollis

0000-0900

Einsatz

Det C

NUK Mollis

0900-2400

Einsatz

Det C

NUK Mollis

0000-0900

Einsatz

Det C

NUK Mollis

0915-0945

Einsatznachbearbeitung (AAR)

Det C

Essraum

1000-1115

Wiedererstellen der Einsatzbereitschaft

Det C

Trp Ukft

1130-1230

Mittagessen

Four

Essraum

1245

Hauptverlesen anschl Heimurlaub

Det C

HV-Platz

 

Einsatzelement Betreuung

0630-1300

Einsatz

Det C

NUK Mollis

1300-1930

Einsatz

Det C

NUK Mollis

1945-2030

Einsatznachbearbeitung (AAR)

Det C

Essraum

2045-2200

Wiedererstellen der Einsatzbereitschaft

Det C

Trp Ukft

2215

Abendverlesen

Det C

Trp Ukft

2245

Lichterlöschen

Sdt

Trp Ukft

0530-0600

Fassung Morgenessen

Four

Essraum

0630-1300

Einsatz

Det C

NUK Mollis

1300-1930

Einsatz

Det C

NUK Mollis

1945-2000

Einsatznachbearbeitung (AAR)

Det C

Essraum

2015-2100

Wiedererstellen der Einsatzbereitschaft

Det C

Trp Ukft

2115

Hauptverlesen anschl Heimurlaub

Det C

HV-Platz

 

Einsatzreserve

Vortag 2230

Antrittsverlesen für Betreu Det

Det C

HV-Platz

0800

Antrittsverlesen für Si Det

Det C

HV-Platz

0815-0845

Umziehen

Sdt

Trp Ukft

0900-1030

Nahkampf

Det C

Turnhalle

1045-1115

Duschen und Umziehen

Sdt

Trp Ukft

1130-1230

Mittagessen

Four

Essraum

1300-1800

Ausbildung

Det C

Gelände

1815-1915

Nachtessen

Four

Essraum

1930-2100

Wiedererstellen der Einsatzbereitschaft

Det C

Trp Ukft

2115

Hauptverlesen anschl Ausgang

Det C

HV-Platz

2345

Abendverlesen

Det C

Trp Ukft

0015

Lichterlöschen

Sdt

Trp Ukft

0615-0645

Fassen Morgenessen

Four

Essraum

0730

Antrittsverlesen

Det C

HV-Platz

0745-0830

Fitness

Sdt

Turnhalle

0845-0915

Duschen und Umziehen

Sdt

Trp Ukft

0945-1200

Ausbildung

Det C

Gelände

1215-1315

Mittagessen

Four

Gel/Essraum

1330-1800

Ausbildung

Det C

Gelände

1815-1915

Nachtessen

Four

Essraum

1930-2100

Wiedererstellen der Einsatzbereitschaft

Det C

Trp Ukft

2115-2145

Briefing

Det C

Essraum

2245

Abendverlesen

Det C

Trp Ukft

2315

Lichterlöschen

Sdt

Trp Ukft

0615-0645

Fassen Morgenessen

Four

Essraum

0730

Antrittsverlesen Si Det

Det C

HV-Platz

0745-0845

Einsatzvorbereitungen Si Det

Det C

Trp Ukft

 

Ablösung der Vorgängerkompanie

Der Prozess der Ablösung begann schon am Mittwoch Nachmittag: Das erste Einsatzelement verschob sich mit einer Vorhut (Wache und Küche) in den Einsatzraum, um sich mit Hilfe der Tessiner Kp einzuarbeiten. Ein Element wurde sofort in den 48-stündigen Heimurlaub gesandt, um in den geplanten Urlaubsrhythmus zu gelangen. Die Einsatzreserve gab die für die ersten drei Tage des WK's bezogene Ukft ab und bezog am Donnerstag Vormittag die Trp Ukft in Näfels, um sich danach in den Einsatz vor Ort vorzubereiten.

 

Einsatzführung

Die Zusammenarbeit mit dem zivilen Partner vor Ort gestaltete sich im Falle der NUK Mollis problemlos. Die gegenseitige Akzeptanz und die Bereitschaft zu Kompromisslösungen waren sehr hoch.

Was sich als schwierig herausstellte, war die mentale Bereitschaft der Det C, die Ausbildung der Einsatzreserve zu planen und durchzuführen. Denn im KVK Bern wurde mehrmals betont und versichert, dass es neben der Auftragserfüllung nicht möglich sei, Ausbildung zu betreiben. Zudem wurde dabei gleichzeitig ein Einsatz- und Ablösungsplan als Muster vorgestellt, dem tatsächlich jegliche Möglichkeit der Führung und Ausbildungstätigkeit seitens Kp Kdt abging. So zeigte das aus dem vom BFF geführte KVK zurückkehrende Kader grosse Skepsis, als ich eine vom Muster abweichende Einsatzplanung vorstellte. Diese Skepsis wurde erst im Laufe des Einsatzes zerstreut, als die Truppe merkte, dass ihnen in meiner Planung auf vier Arbeitstage zwei Tage Heimurlaub zugesprochen wurde, was in der "Musterplanung" nicht vorgesehen war.

Der in grossen Mengen anfallende Schnee durchkreuzte zudem die Absicht, auf dem Spl Walenberg auszubilden. Statt dessen unterstützten wir die Gemeinde im Rahmen einer Spontanhilfe bei der Schneeräumung. Mit der Zeit schrumpfte die Einsatzreserve zusehends. Denn laufende Abgänge verursacht durch Ada's, die ihre Dienstpflicht erfüllt haben, sowie durch die wachsende Anzahl der gesundheitlich Angeschlagenen mussten aus der Einsatzreserve ersetzt werden. So kam es immer häufiger vor, dass Sdt direkt vom Heimurlaub in den Einsatz gingen resp. Wachtdienst bei der Trp Ukft hatten, um danach die Sicherung während 48 Std. der NUK zu gewährleisten. Dies drückte unweigerlich auf die Moral.

Nach jedem Einsatz wurde eine After Action Review durchgeführt. Diese durch den jeweiligen Det C systematisch durchgeführte Einsatznachbearbeitung sollte unseren eigenen Lernprozess fördern und Lücken im Vorgehen aufdecken. Zudem sollten so Erlebnisse sofort und truppennah verarbeitet werden. Aufgrund dieser Einsatznachbearbeitungen wurden denn auch unsere nachstehenden Verhaltensregeln (rules of engagement) mehrmals angepasst:

Betreuungsdetachement

Sicherungsdetachement

Verhalten Zivilist

Waffentragart des Abdeckers

normal

Patrouillierstellung

verbaler Widerstand

Wartestellung

physischer Widerstand

Kontaktstellung

 

Dienst am Wochenende

Der Tagesablauf des Einsatzelementes am Wochenende unterschied sich in keiner Art und Weise vom denjenigen unter der Woche. Einzig der Einsatzreserve konnte ein aufgelockertes Programm angeboten werden: Die Tagwache wurde so gelegt, dass der Sonntagsgottesdienst besucht werden konnte. Dem Kirchgang anschliessend schlemmten wir von 1115-1330 an einem ausgedehnten Brunch (Rührei, Aufschnitt, Speckrösti, Chilli con Carnes, Joghurt, Frühstückflocken, Kaffee u.v.m.). Das Nachmittagsprogramm variierte: Am ersten Wochenende stand Sport und Ausbildung, am zweiten Rodeln in Filzbach auf dem Programm. Samstag abend des zweiten Wochendes besuchten wir eine musikalisch umrahmte Liturgie in der prot. Kirche in Mollis.

 

Lessons Learned