Abriss über das Zusammenwirken der taktischen, operativen und strategischen Ebenen

 

Die Diskussion über die Art der Bewaffnung eines Schweizer Soldaten, der im Rahmen des Friedensförderungsdienstes in friedenserhaltenden Operationen eingesetzt werden soll, zeigt, dass einige Verantwortungsträger sich nicht den Konsequenzen bewusst sind, welche die Bewaffnungsfrage auf die operative und taktische Führung nach sich zieht. Diese Verantwortungsträger beweisen somit ihr Unverständnis gegenüber der damit verbundenen Rückkoppelung, welche auf sie selbst - die strategische Führung - zurückwirken wird.

 

Dieser Artikel will das Verständnis betreffend der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen strategischer, operativer und taktischer Ebene fördern. Denn Politik kann erst dann kohärent und erfolgversprechend formuliert werden, wenn die Abhängigkeit derselben von ihren eingesetzten Machtmitteln und ihren damit verbundenen Vorgehensweisen einerseits, von den Handlungsoptionen der Gegenseite andererseits erkannt ist. Die Verantwortungsträger können erst mit dieser Erkenntnis die dem Staat zur Verfügung stehenden Machtmittel auf eine gemeinsame Zielerreichung hin abstimmen.

 

Die strategische Ebene

General A. Beaufre fasst Strategie (S) als Produkt der Faktoren "Machtmittel" (K= nicht militärische Machtmittel, F= Streitkräfte), "psychologische Komponente" (y ) und "Zeit" (t) auf: S=K* F* y * t.

Ist ein Faktor null, so ist das ganze Produkt null. Das bedeutet: Ohne einsatzbereites Streitkräftepotential existiert keine glaubhaft umsetzbare Strategie. Die Formel kann auch dahin interpretiert werden, dass eine Strategie zum Scheitern verurteilt ist, wenn diese nicht vom Volk getragen wird resp. wenn wegen mangelndem Zusammenhalt, sprich Moral, der Wille zur Verteidigung innerhalb der Streitkräfte fehlt. Dies alles soll verdeutlichen, dass eine Strategie nur dann glaubhaft formuliert und umgesetzt werden kann, wenn Mittelansatz, Zeitverhältnisse, Moral von Volk und Streitkräfte mit den Vorgehensweisen kongruent sind.

Die strategische Ebene umfasst die Politik und die Strategie im weiteren Sinne. Die Politik formuliert die Zielsetzung in einem Interessenkonflikt. Die Strategie im weiteren Sinne legt das grundsätzliche Vorgehen fest und bedient sich dabei im Hinblick auf die Zielerreichung aller zur Verfügung stehenden Machtmittel wie Diplomatie, Wirtschaft, Kultur, Ideologie, Informationstechnologie, Informatik und Streitkräfte. Dabei wird zwischen direkter und indirekter Strategie unterschieden. Direkter Strategie versucht der Gegenseite unter hauptsächlichem Einsatz resp. Androhung des Machtmittels "Streitkräfte" den eigenen Willen aufzuzwingen. Die indirekte Strategie dagegen versucht unter hauptsächlichem Einsatz anderer Machtmittel als dasjenige der Streitkräfte seinen eigenen Willen durchzusetzen. Indirekte und direkte Strategie schliessen einander nicht aus, sondern sind vielmehr komplementär. Sie harmonisieren im Zusammenspiel. Die Wahl der Machtmittel und Vorgehensweisen zur Zielerreichung - also die Gewichtung von indirekter und direkter Strategie - hängt sowohl von der Verwundbarkeit der Gegenseite als auch von den eigenen Möglichkeiten ab.

 

Die operative Ebene

Die operative Ebene beinhaltet denjenigen Bereich, der sich mit der praktischen Umsetzung der Vorgaben der strategischen Ebene beschäftigt. Sie ist die Strategie im engeren Sinne (Militärstrategie). Militärstrategie ist derjenige Zuständigkeitsbereich der Armeespitze, in welchem die Vorgaben der strategische Ebene in operative Ziele für die Teilstreitkräfte umformuliert. Dabei stimmt die Armeespitze die Zwischenziele und Einsatzarten auf die vorhandenen Mittel im Hinblick auf das Endziel ab. Dies erreicht die operative Ebene einerseits über das Formulieren von Rules of Engagement, andererseits indem sie die der taktischen Ebene zugewiesene Teilaufgaben der Teilstreitkräfte als ganzes kohärent aufeinander abstimmt, synchronisiert, indem sie die Überraschung bewahrt und indem sie die logistische Voraussetzung schafft, damit die eigene Kräftekonzentration auf den gegnerischen Schwachpunkt angesetzt werden kann. Die operative Ebene schafft also die Voraussetzungen für die taktische Lösbarkeit der gestellten strategischen Aufträge. Die operative Ebene übt somit eine Scharnierfunktion zwischen strategischer und taktischer Ebene aus.

 

Taktische Ebene

Unter taktischer Ebene sollen alle Dinge subsumiert werden, die in die Sphäre des Gefechts fallen. Die taktische Ebene setzt die Zielsetzungen der operativen Stufe um, indem sie ihre Mittel im bestmöglichen Zusammenwirken auf dem Gefechtsfeld einsetzt.

 

Indirektes Vorgehen

Art des Einsatzes von Streitkräften auf ein Operationsziel hin. Der Gegner soll dabei so von einer unerwarteten Richtung angegriffen werden, dass die eigene Kräftekonzentration gegen den gegnerischen Schwachpunkt angesetzt werden kann. Indirektes Vorgehen gehört zur direkten Strategie.

 

Bewaffnung und ihre Konsequenzen

Ausrüstung und Bewaffnung haben direkte Konsequenzen auf Gefechtstechnik und somit auf die Taktik. Diese stellt ihrerseits das Mittel der operativen Zielerreichung dar und übt daher eine indirekte Rückkoppelung auf die strategische Führung aus. Der Soldat wird in friedenserhaltenden Operationen im Umfeld eines prekären Friedens eingesetzt. Ein Frieden, der einen Konflikt, welcher von Terrorismus, Guerilla sowie Bürgerkrieg geprägt war, abschliessen sollte. Ein Friede, dessen zuvor ausgetragene Konflikte weiterhin unter der Oberfläche schwelen. Dies ist wohl auch ein Grund dafür, warum überhaupt friedenserhaltende Operationen auf dem internationalen Parkett beschlossen werden. Diese durch den Frieden unterdrückte Konflikte können denn auch jederzeit wieder aufflammen. Beschränkt nun die strategische Führung mittels Gesetzgebung die Bewaffnung des Schweizer Soldaten im Ausland auf Sturmgewehr und Panzerfaust, so sind dadurch der Auftragserteilung ebenfalls Schranken zu setzen. Weichen die Verantwortlichen vom Grundsatz ab, Auftrag, Mitteleinsatz und Vorgehen in Einklang zu bringen, stellen diese den Soldaten vor eine unlösbare Situation. Eine Situation, die mit Sicherheit in Tod und Verstümmelung mündet, ohne dabei die gesetzten Ziele zu erreichen. Ob solche Einsätze politisch tragbar sind, ist fraglich. Will die politische Führung Friedensförderung im Ausland mit militärischen Kräften, so ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Grenzen zwischen Peace Keeping, Robust Peace Keeping und Peace Enforcement fliessend, kaum vorhersehbar sowie durch Schweizer Parlamentarier wenig beeinflussbar sind. So sind nicht per Gesetz über Bewaffnungsselbstbeschränkung indirekt Einsatzregeln festzuschreiben, sondern durch die operative Führung für jeden Auftrag Rules of Engagement einsatzbezogen zu definieren. Nur dieses Vorgehen ermöglicht eine verzugslose Anpassung der jeweiligen Einsatzregeln, sollte die Gewaltbereitschaft in der friedenserhaltenden Operation sich verändern.

Interdependenz zwischen der strategischen, operativen und taktischen Ebenen der Kriegskunst

 

Anforderung an eine glaubhafte Bewaffnung zur Auftragserfüllung

Friedenserhaltende Operationen sind von gegenseitigem Misstrauen der ehemaligen Streitparteien, Verstössen gegen internationale Abmachungen, unklaren Machtverhältnissen, Kriminalität und Propaganda geprägt. Darin versuchen die Antagonisten sich gegenseitig auszubooten, Banditen sich zu bereichern, Grossmächte an Einfluss zu gewinnen und dutzende von NGOs Hilfe zu leisten. Und um dieses Spektakel herum schwirren schliesslich die Medien, um Bericht zu erstatten und um von den Streitparteien als Sprachrohr ihrer Desinformation instrumentalisiert zu werden. Schwindende Militärbudgets und die voraussichtlich lange Dauer solcher Einsätze lassen die Bestände an Bodentruppen klein bleiben. Eine Kräfteverzettelung ist nur eine Folge daraus. So ist die Bildung von hochmobilen Einsatzreserven vor Ort in Form von helikoptertransportierten Truppen für rasche, lokale Schwergewichtsbildung, aber auch für zeitgerechte Verwundetenevakuation, unabdingbar. Will man sich aus einem Hinterhalt befreien oder ein eigenen Truppenteil aus einer Einkesselung entsetzen, sind Feuerkraft durch Unterstützungswaffen und Schockwirkung durch mechanisierte Formationen Voraussetzung, sofern man sein Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen und damit eine glaubwürdige Streitmacht vor Ort haben will. Denn auch eine defensive Operation besteht unabdingbar aus dem Zusammenspiel von Angriff und Verteidigung. Für die eigene Sicherheit sind Aufklärungsmittel im optischen und elektronischen Spektrum auf jeder Stufe nicht wegzudenken. Für die Gewährleistung einer eigenständigen Logistik müssen Sanitäts-, Transport-, Genie- und Versorgungstruppen integraler Bestandteil einer Task Force sein. Ohne Übermittlungstruppen verliert man den Verbund, da zum einen in einer CJTF (Combined Joint Task Force) operiert wird, zum anderen Truppenteile über grosse Distanzen fernab vom Heimatboden operieren.

Spricht die strategische der operativen Führung eine adäquate Bewaffnung und Ausrüstung ab, so ist nicht nur die Handlungsfreiheit des Soldaten vor Ort, sondern auch diejenige des operativen Führers und schliesslich die der strategischen Führung selbst von Beginn an aus eigenen Stücken eingeschränkt. Trägt die strategische Führung diesem Umstand nicht Rechnung und verlangt dabei gleichzeitig Unmögliches vom Soldaten, handelt sie kurzsichtig und verantwortungslos. Die Militärgeschichte gibt genügend Beispiele, die diese Erkenntnisse erhärten. Lassen Sie uns diese studieren und die richtigen Lehren daraus ziehen, damit der Schweizer Soldat nicht für unseren Dilettantismus mit seinem Blut bezahlen muss.

Nachstehende Skizze will Aktionen und die daraus resultierenden Wirkungen darstellen. Aktionen fallen immer in den Bereich der Taktik (Einsatz der Mittel im bestmöglichen Zusammenwirken auf dem Gefechtsfeld). Einzig die jeweilige Wirkung einer bestimmten Aktion im Rahmen des strategischen Konzeptes resp. im Rahmen des operativen Planes kann als taktisch, operativ oder strategisch interpretiert werden. So kann es durchaus zum paradoxen Phänomen kommen, dass ein taktischer Misserfolg einen positiven strategischen Effekt (und umgekehrt) erzielen kann. Von strategischen Waffen resp. Luftmacht zu sprechen ist somit ungenau, weil damit Einsatz mit Wirkung verwechselt wird.

Interdependenz zwischen der strategischen, operativen und taktischen Ebenen der Kriegskunst

Hptm C.M.V. Abegglen, Januar 2000