Phänomen der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle. Darstellung der Wurzeln, Mittel, Bedrohung und Gegenmassnahmen

Hptm C.M.V. Abegglen
11.12.97

 

Vorwort

Diese Arbeit bezweckt, die Aufmerksamkeit auf die noch nicht vollständig ausgeleuchteten Bereiche der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle -Low Intensity Conflict (LIC)- zu richten. Dabei soll die Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle zum konventionellen Krieg abgegrenzt, das Begriffsverständnis von Gewalt, Terrorismus und Guerilla gefördert und durch das Aufzeigen des Ursprunges von Aggression und Krieg auf die Wichtigkeit der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle in Zukunft hingewiesen werden. Mögliches Vorgehen im Kampf gegen LIC sollen Denkanstösse in der Führung und Ausbildung der Füsiliere im Territorialregiment geben. Einige konkreten Massnahmen sollen die Füsiliere im Territorialregiment für künftige Aufgaben in einem LIC-Umfeld rüsten, damit diese ihren Aufgaben gerecht werden können.

1. Was versteht man unter "Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle"?

1.1. Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle in Abgrenzung zum Krieg

Unternimmt man den Versuch Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle zu definieren, so endet dies gewöhnlich in eine Aufzählung von Erscheinungsformen eben derselben. Aus diesem Grund sollen die Wesensmerkmale des klassischen Krieges und dessen Führung herausgeschält werden, um durch deren Negierung die Erscheinung der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle zu definieren.

Der klassischen Krieg westlichen Verständnisses zeichnet sich durch

aus.

Gewalt grenzt sich vom Krieg also nicht darin ab, dass bei Gewaltanwendung nicht getötet resp. kein Risiko des Getötetwerdens eingegangen wird, sondern in ihrer Führung sowie im Grad ihrer Organisation: Gewalt zeichnet sich durch ihr wenig geplantes, oft im Affekt impulsives Auftreten aus. Dabei spielt Rache in Verbindung mit unserer Fähigkeit, Geschehnisse über lange Zeit in Erinnerung zu behalten, eine zentrale Rolle. Bei der Gewaltanwendung nicht kriegerischer Form geht es also mehr um persönliche, individuelle Motive als um (zwischen–)gesellschaftliche Probleme, die man u.a. mit Einbezug von Waffengewalt zu lösen versucht. So kann man unterschiedliche Eskalationsstufen im Rahmen der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle unterscheiden, indem Formen der Gewaltanwendung anhand der Anzahl der durch den Akt der Gewalttat direkt Betroffenen sowie anhand der Motivation der Verursacher wie folgt kategorisiert werden:

 

 

Tabelle 1: Eskalation im Rahmen der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle

1.2. Formen von Gewalt

Gewalt ist eine spezifische Form der Aggression, welche die Schädigung eines Objektes oder einer Person zum Ziel hat. Fünf Gewaltformen werden unterschieden:

  1. Psychologische Gewalt
Diese Form der Gewalt, auch Mobbing genannt, ist eine vorübergehende Erscheinung, die vorallem in Gruppen und im Jugendalter ausgelebt wird. Bewusste Nichtbeachtung einer Person, Einschüchterung und Drohung sind ihre Mittel.
  1. Sexuelle Gewalt
20-30% aller Frauen werden z.B. in ihrer Beziehungskarriere geschlagen, viele sexuell genötigt oder sogar missbraucht. Eine Gewaltform, von der auch Kinder nicht verschont bleiben.
  1. Politische Gewalt
Hier siedelt sich der Terrorismus an. Durch Erpressung, Bedrohung, Entführung sowie Mord mittels Bombenanschläge und Exekutionen von Meinungsbilder (Lehrer, Geistliche, Politiker, Beamte, Journalisten, Showstars) und staatlichen Ordnungshüter wird Angst und Schrecken verbreitet. Zudem werden Massendemonstrationen, Streiks sowie Anschläge auf Touristen eingesetzt, um politische Ziele zu verwirklichen.
  1. Wirtschaftliche Gewalt
Darunter zählt man das organisierte Verbrechen. Im Informatikzeitalter öffnet sich hierfür neue Dimensionen. Durch Androhung eines Lahmlegens einer computerunterstützten Produktionsanlage oder durch Androhung der Ausschaltung eines Verbindungsnetzes mittels Hacker Warfare können Unternehmen im Bereich des offenen Vorgehens zu Lösegelder gepresst werden. Im Bereich des verdeckten Vorgehens von Hacker Warfare können Finanzströme oft unbemerkt, aber falls vom Opfer aufgedeckt meistens von demselben vor der Kundschaft vertuscht, abgezweigt werden.

Verbreitet sind das Bestreiken von Betrieben, Bombendrohungen und -anschläge sowie Vergiften von Produkten.

  1. Urbane Gewalt
Hierunter fallen Bandenfehden, Rachefeldzüge unter Cliquen, persönliche Abrechnungen aber auch Konfrontation mit den staatlichen Ordnungshütern aus jugendlichem Übermut.

Schon in dieser Aufzählung wird deutlich, dass die Grenzen zwischen Krieg und wirtschaftliche sowie urbane Gewalt verwischen, da beim organisierten Verbrechen aber auch bei Bandenfehden durchaus Dimensionen des Krieges in ihrer Organisation, Steuerung, Planung und Vorbereitung erreicht werden und somit die Charakteristika eines klassischen Krieges annehmen können. Zudem ist die Unterscheidung zwischen Krieg und Konkurrenz im Lichte eines strategischen Konzeptes, das Information Warfare in seiner ganzen Bandbreite umfasst, kaum mehr möglich. Auch kommt meist eine Kombination mehrerer Gewaltformen gleichzeitig zur Anwendung, sodass die Grenzen zwischen Gewalt, Terrorismus, Guerilla und Krieg verwischen.

1.3. Bedeutung der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle (Low Intensity Conflict)

Die Wichtigkeit dieser Form der Konfliktaustragung lässt sich nicht nur an der Anzahl ihrer geforderten Opfer abschätzen, sondern auch in dem Erreichen ihrer politischen Ziele sowie in der Häufigkeit ihres Auftretens. So stellt Van Creveld fest, dass seit 1945 von den rund 160 bewaffneten Konflikten ¾ im Bereich der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle gewesen sind. Dabei sind die inneren Spannungen in westlich entwickelten Ländern nicht miteingeschlossen. Diese werden mit anderen Namen wie z.B. "Troubles" in Nordirland versehen, sind aber in Grunde genommen dasselbe: Low Intensity Conflicts (LIC). Charakteristisch bei dieser Konfliktaustragung ist, dass die Akteure neben Soldaten Dorfbewohner, Banden, Warlords, Freischärler auch Frauen und Kinder umfassen. Was die Anzahl der Toten betrifft, so zeigt sich ein Bild des Grauens. Nur Schätzungen sind möglich: 3 Mio. im Bürgerkrieg in Nigeria zwischen 1966 und 1969. 1 Mio. im 30-jährigen Vietnam Konflikt. 1 Mio. in Afghanistan. 1 Mio. in Ruanda u.v.m. Es wird angenommen, dass über 20 Mio. in LIC ihr Leben liessen.

Was die politische Relevanz von Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle betrifft, so haben konventionell zwischenstaatliche Konflikte kaum etwas anderes erreicht, als den status quo ante wieder herzustellen. Einzig der Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarn, 1948, resultierte in eine neue Grenzziehung. LICs dagegen hatten in ihrer Auswirkung politisch beeindruckende Veränderungen vom Zaume gerissen: Die gesamte Dekolonisation, welche den halben Globus betraf, erfolgte ohne einen einzigen konventionellen Krieg.

Oft sind konventionell kämpfende Streitkräfte gegen LIC ratlos. Denn, wie will man mit Kampfpanzer gegen einen Steine werfenden Achtjährigen vorgehen?

2. Wo liegen die Wurzeln der Gewalt?

2.1. Inter- und intraspezifische Aggression

Aggressives Verhalten ist ein verbreitetes Phänomen der Tierwelt, welches verschiedenartig, je nach Umweltbedingungen und Lebensweisen unterschiedlich ausgestaltet, als Mittel der Gesamtfitnessmaximierung sich genetisch verankert hat. Davon ist auch der Mensch nicht ausgeschlossen. Es wird dabei zwischen intra- resp. interspezifischer Aggression unterschieden.

Intraspezifische Aggression besteht innerhalb einer Spezies, um sich Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Artgenossen zu verschaffen. So wird um die Gunst eines Weibchens resp. einer Herde gekämpft, wobei der Sieger die bessere Chance hat, seinen Genpool durch Paarung zu vermehren. Ebenso wird um Territorium und Dominanz innerhalb der Gruppe gestritten. Reproduktion, Territorium und Dominanz sind grundsätzlich interdependent. Das ein Mitstreiter dabei getötet wird, ist jedoch eine seltene Erscheinung, da unnötige Verletzungen keinen Vorteil für die genetische Reproduktion der Kontrahenten birgt. Solche Kämpfe sind ritualisiert, basieren auf Imponiergehabe sowie Demutsgebährden und werden mit gleichen, symmetrischen Mitteln untereinander ausgefochten (Kommentkampf). Die dafür eingesetzten Waffen zeigen sich in den sekundären Geschlechtsmerkmalen wie Geweihe, Gefieder, Mähnen … . Infantizid, das Töten von Kinder, und Fetozid, Aborte resp. embryonale Resorption, sind Erscheinungen, die nicht nur beim Menschen auftreten, sondern ebenso bei Säugetieren. So kann durch Beseitigung des fremden Kindes die Empfängnisbereitschaft der Mutter bei Primaten, Nagetieren wie auch bei Löwen vorzeitig wiederhergestellt werden.

Interspezifische Aggression ist Gewaltanwendung zwischen verschiedenartigen Spezies. Diese reicht von Tötung zwecks Nahrungsbeschaffung bis zur Entführung zwecks Versklavung. Das Mass der Gewaltanwendung kennt dabei keine Grenze. Nur Sättigung oder Abschreckung setzen dem Töten ein Ende. Diese Kämpfe sind durch List, Täuschung und Verschlagenheit geprägt und werden mit ungleichen, asymmetrischen Werkzeugen resp. Waffen, die auf Angriff oder Verteidigung ausgerichtet sind, ausgefochten. Dabei existieren keine Verhaltensregeln. Offensichtlich ist interspezifische Aggression in ihrem ganzen Umfang keine menschliche Eigenart. Neben dem verbreiteten Jagdverhalten, kennen z.B. Ameisen Entführung fremdartigen Ameisennachwuchses, um diesen anschliessend zu versklaven.

Es kann festgehalten werden, dass Aggression durch die erfolgreiche Maximierung der Gesamtfitness das Produkt einer natürlichen Auslese ist. Aggression ist normal und allgegenwärtig. Lediglich spezifische Umstände unserer Evolutionsgeschichte brachten das hervor, was wir im allgemeinen unter Krieg verstehen.

2.2. Die entwicklungsgeschichtliche Erfahrung des Menschen

Des Menschen Evolutionsgeschichte ist durch seine Zeit als Jäger und Sammler nachhaltig geprägt. Denn während 95%- 99% seiner Entwicklung fristete der Mensch sein Dasein in dieser Existenzform.

Vor 2,5-3 Mio Jahren benutzte der Mensch die ersten zur Jagd geeigneten Instrumente. So konnte er vom gelegentlichen Asfressen und Insektenverzehren ähnlich den heutigen Schimpansen, zum Jagen übergehen. Hier machte der Mensch die Transformation vom Gejagten zum Jäger. Er entwickelte sich mit seiner Vorstellungskraft und mit seinen eigens dafür konzipierten Waffen vom Beutetier zum Raubtier. So konnte sich der Mensch selbst vor grossen Tieren schützen, Risiken abschätzen und sein bis dahin instinktives Fluchtverhalten als eine in Bäumen schutzsuchende Kreatur überwinden. Eine erfolgreiche Jagd auf Grosswild verlangte vom Menschen Empathie, Planung, Koordination und effektive Bewaffnung. Gerade das Vermögen sich in ein anderes Wesen hineinzufühlen, scheint die Grenzen zwischen Beute und Artgenosse zu verwischen. Wichtig ist auch festzuhalten, dass die Jagd auf Grosswild wegen den Gefahren und Kraftanstrengung für die eigentliche Tötung eine Männersache wurde. Neben der für den Menschen neuen Erfahrung als Jäger, die sein Eigenbild wandelte, musste eine vom Erfolg gekrönte Jagd ein psychologisch tiefgreifendes Erlebnis gewesen sein: Todesgefahr trotzend, antizipert der Jäger den Verlauf und Ausgang einer Jagd, organisiert sich dementsprechend in einer Gruppe, zog aus und setzte seinen Plan erfolgreich in die Praxis. Hier sind die Wurzeln derjenigen Gruppenkohäsion zu finden, welche den verschworenen Kampfhaufen formt und es dem Soldaten trotz Todesangst ermöglicht, im Feuergefecht voranzuschreiten, um die Erwartungen seiner Kameraden zu erfüllen.

Eine weitere einschneidende Phase in der Entwicklungsgeschichte des Menschen wurde irgendwann vor 2 Mio. v.Chr. eingeleitet. Von da an gewann das Hirn alle 2000 Jahre rund 1 cm3 an Volumen, bis sich dieses verdreifachte. Mit der Vergrösserung des Hirnvolumens ging die Entwicklung der Sprache und später die der Schrift einher. Dies ermöglichte dem Menschen, sich seiner Umwelt rascher als über die natürliche Selektion anzupassen, weil er mit den Medien der Sprache und Schrift sein Wissen und seine Erfahrungen tradieren konnte. Die Erfahrung gemeinsamer Aggression in der Jagd gebar die Gemeinschaft. Die Fähigkeit Erfahrungen in Sprache und später in Schrift festzuhalten dagegen entfachte die kulturelle Entwicklung. Die Lebensweise dieser Sippen war durch Gleichberechtigung von Mann und Frau, durch Freiheit in der Meinungsäusserung und Konsensentscheide sowie durch Bewegungsfreiheit geprägt.

Als dritte prägende Phase der Entwicklungsgeschichte wird allgemein die Neolithische Revolution angeführt. Ca. um 10'500 v.Chr. entwickelte sich zuerst eine Symbiose zwischen Pflanze und Mensch, später die Symbiose zwischen Tier und Mensch. Anfangs ging Ackerbau und Haustierhaltung einher, trennten sich jedoch mit der Zeit, als sich die unterschiedlichen Lebensweise des Hirten vermehrt von derjenigen des Bauers abzugrenzen begann. Es entstanden zwei distinkt unterschiedliche Lebensformen mit unterschiedlichen Werten und Normen. Die Sesshaftigkeit und der Nomadismus. Hier ist der Samen des Krieges zu finden. Beide Lebensformen sind Adaptionen an ihre jeweilige Umwelt und Tätigkeit. So benötigte der arbeitsintensive Ackerbau durch Instandhaltung der Bewässerungsanlagen, Säen, Pflege, Ernten, Verarbeitung, Lagerung von Saatgut, ununterbrochene und ganzjährige Aufmerksamkeit. Bessere und gesicherte Ernährung durch die Schaffung von Vorräten ermöglichte ein Bevölkerungswachstum. Erfolgreiche Bewirtschaftung brachte Besitz und fruchtbarer Boden wurde zum verteidigungswerten weil lebensnotwendiger Gegenstand. Die Nomaden dagegen waren durch ihre Herden gezwungen mobil zu bleiben und zogen von einem Ort zum anderen, sobald der eine abgeweidet war. Um ca. 4000 v.Chr. erlernten sie das Pferd zu reiten und setzten diese Kunst nicht nur zum Treiben ihrer Herden ein. Sporadische Überfälle auf die noch offenen Weiler, führten zu Schutzbauten der Bauern. Ab ca. 3200 v.Chr. überfielen nomadische Stämme aus der Steppe die Horte der Reichtümer regelmässig. Diese wiederkehrende externe Bedrohung endete in der Stadtbildung. Für die Sesshaften bestand zur Unterwerfung die Alternative, selbst gegen das "barbarische" Reitervolk kriegerisch vorzugehen. Die soziale Entwicklung wurde durch den äusseren Druck und durch die Enge der Stadtmauern beschleunigt. Daraus entwickelten sich vollends die Funktionen des Staates. Die Enge der Mauern und sporadische Fehlernten durch Dürre- resp. Regenperioden kombiniert mit mangelnder Hygiene machten die Bevölkerung auf epidemische Krankheiten anfällig und somit instabil. Aus dieser Erfahrung folgte eine eigene Funktion des Krieges. Denn wenn es für die Nomaden galt, Beutemachen als Ziel einer Kriegsunternehmung anzuvisieren, so diente für das Bauernvolk der Krieg dazu, mangelnde Arbeitskräfte durch Versklavung zu gewinnen und bei Überbevölkerung fruchtbaren Lebensraum zu erschliessen oder wenigstens durch die eigenen Toten den Bevölkerungsdruck zu mildern. Später kam Krieg zwecks Eintreiben von Tributen unterjochter Völker hinzu.

2.3. Der Mensch in Abgrenzung zum Tier

Gesamtfitnessmaximierung führt zu Nepotismus. Ingroup-Outgroup-Differenzierung ist eine Folge des Nepotismus. So ist die Tendenz zur geschlossenen Gesellschaft im Menschen biologisch verankert, was schliesslich in Fremdenablehnung, Fremdenhass, Dehumanisierung des Gegners, barbarische Grausamkeiten sowie in Genozid enden kann.

Es zeigt sich, dass die Kampfeffizienz im Gefecht von solchen Verhaltensmustern wie Nepotismus, Gruppenkohäsion beim Entgegentreten von Gefahr, aggressives Verhalten und von der Neigung zum Töten abhängig ist, welche sich schon früh in unserer Evolutionsgeschichte entwickelt haben. Diese Verhaltensmuster sind Anpassungen, die durch Selektion in unseren genetischen Pool übergegangen sind. Erst aber ein spezifisches Umfeld und eine bestimmte Sozialisation formte daraus diejenige Streitform, welche wir heute unter den Begriff des klassischen Krieges verstehen. Der klassisch konventionelle Krieg heutiger Ausprägung ist wie folgt gekennzeichnet:

Diese Merkmale deuten darauf hin, dass gewisse Rüstungsgüter und Vorgehensweisen in der Kriegführung bis in die Wurzeln der intraspezifischen Aggression und des Verwundung vermeidenden Kommentkampfes zurückführen.

Offensichtlich sind die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier: Aggressives Verhalten, Staatenbildung und soziales Verhalten, Töten, Entführung und Versklavung, Fürsorge gegenüber des eigenen Nachwuchses, Sexualität und Gebrauch von Werkzeugen. So benutzen z.B. Schimpansen Grashalme, um Termiten zu angeln, Steine, um Nüsse zu knacken und Äste um Beutetiere zu treiben. Was den Menschen aber vom Tier abhebt, ist

3. Was bewirkt Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle?

3.1. Terrorismus, Guerilla, Bürgerkrieg und Freiheitskampf

Ob die Erscheinung der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle als Guerillabewegung, Terrorismus, Bürgerkrieg oder gar als Freiheitskampf bezeichnet wird, hängt vom jeweiligen Standpunkt der Betroffenheit ab. So wird die etablierte Macht, die unter LIC leidet, der Gegenseite Terrorismus unterstellen, wogegen sich die vermeidlichen Terroristen sich als Freiheitskämpfer sehen. Allen LIC ist eines gemeinsam: Die Antagonisten bekämpfen sich mit asymmetrischen Mittel und Vorgehensweisen. So bieten auf der einen Seite Guerilleros, Terroristen, Zivilisten, Frauen und Kinder den regulären Truppen der etablierten Macht die Stirn. Zudem stützen sich die Aufständischen mehrheitlich auf auf dem Markt erhältlichen (Handfeuer-) Waffen, tragbare panzerbrechende und flugkörperabwehrende Waffen sowie auf allgemein zugänglichen Rohstoffe zur Herstellung von improvisierte Waffen und Sprengkörper. Die etablierte Macht dagegen stützt sich auf ein Arsenal und auf Vorgehensweisen, die für einen konventionellen symmetrisch ausgelegten Krieg, Staat gegen Staat, beschafft resp. entwickelt worden ist.

3.2. Phasen der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle

Fünf Phasen können in einem LIC unterschieden werden:

1.     Phase der Agitprop und Organisation

Das Ziel besteht darin, in der Masse das revolutionäres Bewußtsein zu entwickeln und sie zur Teilnahme am Kampf gegen die Unterdrückung zu veranlassen. Gleichzeitig sollen Sympathisanten, Helfer und geheime revolutionäre Zellen gewonnen werden.

2.     Phase der Strassenunruhen

Demonstrationen werden organisiert und steigen in ihrer Häufigkeit als Ausdruck der wachsenden Unzufriedenheit. Die Kundgebungen arten in Aufruhr aus. Es kommt zu Strassenschlachten mit den staatlichen Ordnungshütern, die unter Druck der Massen die Kontrolle zu verlieren drohen. Die Polizei und das zu Hilfe eilende Militär greifen harsch und repressiv durch, was die öffentliche Meinung polarisiert. Als "Unbeteiligte" verletzt und verhaftet werden, verstärkt sich die Missgunst der Bevölkerung gegenüber den Staat.

3.     Phase der Einschüchterung

Diese Phase läuft oft parallel mit der sich im Endstadium befindenden Phase zwei. Zielpersonen der Einschüchterung sind Polizeiangehörige, Regierungsleute und öffentliche Personen, die sich für den Einsatz der Polizei und Armee aussprechen. Polizeioffiziere können während einer Strassenschlacht von ihrer Einheit isoliert und gelyncht werden. Andere können zu Hause bedroht oder angegriffen werden. Polizeikollaborateure werden angegriffen, durch hetzerische Schmierereien an ihren Häusern eingeschüchtert oder deren Kinder in der Schule drangsaliert.

4.     Phase des Terrorismus

Terrorismus ist die letale Form der Einschüchterung. Ziel des Terrorismus ist ein Klima des Kollapses herbeizuführen, sodass die Bevölkerung das Vertrauen der Polizei im Durchsetzen der Gesetze, der Armee im Schützen des Volkes und schliesslich dem Staat in seiner Rechtsetzung sowie Rechtsprechung entzieht. Um diesen Vertrauensentzug in die Institutionen des Staates herbeiführen zu können, muss das Gesetz unausführbar gemacht werden. So werden Zeugen, Geschworene und Richter resp. Ankläger bedroht oder gar entführt. Andere werden eingeschüchtert, indem sie gezwungen werden eine Exekution mitzuerleben. Diese Handlungen sollen die Betroffenen und andere dazu anhalten, keine Aussagen über Beobachtetes zu machen. Dies zwingt die Regierung dazu, Notgesetze zu erlassen, die es ihr z.B. erlaubt, Personen unter Verdacht aber ohne Anklage festzuhalten oder Personen zu verurteilen aufgrund von Zeugenaussagen, die nicht vor Gericht befragt wurden. Mit anderen Worten untergräbt die Beschneidung der Freiheitsrechten das Vertrauen des Volkes in den Rechtsstaat und in dessen Rechtsprechung.

Zugleich funktionieren ausgewählte revolutionäre Zellen als Überfallkommandos. Diese visieren Ratsmitglieder, Chefbeamte und Informanten an. Das erklärte Ziel ist dabei weniger der Mord, als vielmehr durch Einschüchterung ein stillschweigendes Übereinkommen eines gegenseitiges Leben- und Lebenlassens. So verschärft eine nach aussen scheinbare Pflichterfüllung dieser öffentlichen Personen offenkundig die Diskrepanz von Wort und Tat. Denn obwohl Ordnungshüter präsent sind, stellen sie sich aus Angst vor Repressionen blind und stumm gegenüber dem Wirken der Terroristen und unterlassen sogar ganz ihre Schutztätigkeiten in gewissen Tages- resp. Nachtzeiten. So können die Terroristen in Wahrheit nach Belieben wüten. Marodierende Gruppen ziehen durch die Landschaft und schlagen nach ihrem Gutdünken unbehindert auf ein Ziel ihrer Wahl zu. Alarmiert durch die allumfassende Unsicherheit, wegen Anschlägen ohne Aussicht auf gesicherte Arbeit, ohne fliessendes Wasser, ohne öffentliche Verkehrsmittel, im Spiegel der versiegenden Benzin- und Nahrungsmittelverteilung, fürchtet die Bevölkerung um das eigene Überleben. Bevölkerungsteile greifen zur Selbsthilfe und nehmen das Gesetz in die eigene Hand. Nur allzu bereitwillig strecken sie sich jedoch nach der dargebotenen rettenden Hand, sei dies eine Militärjunta oder eine organisierte Revolutionspartei, die wieder Ruhe und Ordnung schafft. Denn das Überleben der Familie ist wichtiger als Politik.

5.     Phase der Guerilla und des Bürgerkrieges

Leistet die etablierte Macht der Terrorbewegung weiterhin Widerstand, so kann eine wohl organisierte Revolutionsbewegung, mit einer gewissen Basis den Konflikt zur Guerillakriegsführung und später in einen Bürgerkrieg eskalieren. Dabei sichern sich die Aufständischen Gebiete, in denen die Macht des Staates untergraben ist, indem die lokale Polizei zuerst durch das stille Leben- und Lebenlassen-Abkommen in ihrer Effektivität unterlaufen, später vollends vertrieben wird. In diesen "befreiten" Gebieten herrscht fortan das Gesetz der Aufständischen und dient als Basis für den weiteren Verlauf der Kampagne. Sobald verschiedene befreite Gebiete in eine einheitliche Gebiet Region gefasst werden können, wird dort offen eine Rebellenregierung ausgerufen, eine genügende Anzahl von Soldaten rekrutiert und in Sicherheit ausgebildet. So kann später zu offenen militärischen Aktionen gegen die staatlichen Streitkräfte übergegangen werden. Der Guerillakrieg mutiert so zum Bürgerkrieg.

4. Wo liegen die Ansatzpunkte im eigenen Vorgehen?

Weil die Absicht einer Destabilisierung darin besteht, die Rechtstaatlichkeit zu untergraben, muss jedes eigene Handeln im Rahmen der Gesetze erfolgen. Genügt die grundlegende Gesetzgebung nicht im Kampf gegen die Aufständischen, so muss das Gesetz angepasst werden. Eine schon in Friedenszeiten vorbereitete Gesetzgebung für den Fall einer ausserordentliche Lage kann dann in ihrem Eintreten nur noch verabschiedet und in Kraft gesetzt werden, was die politische Handlungsfähigkeit und somit das Vorgehen gegen die Aufrührerischen beschleunigt. Gegen Soldaten, Gruppierungen und Bürgerwehren, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen, um Terror mit Terror zu bekämpfen, muss rigoros eingeschritten werden. Ist die Rechtstaatlichkeit garaniert, so kann gegen die Usurpatoren vorgegangen werden. Dabei geht es vorwiegend um Befriedigung von Sicherheitsbedürnissen und um Informationsbeschaffung.

Um an Information über den Gegner, ihre Sympathisanten und Verstecke zu gelangen, muss den zur Kooperation Willigen Sicherheit garantiert werden können. Nicht nur der Schutz der Informanten vor gegnerischen Vergeltungsmassnahmen muss gewährleistet sein, sondern auch die Sicherheit derer Angehörigen und Freunden. Das in die staatlichen Institutionen untergrabene Vertrauen wächst erst dann wieder an, wenn die Schutzinfanterie und andere Sicherheitsorgane durch ihre lückenlose Präsenz und durch ihr erfolgreiches Einschreiten beim Volk ein Gefühl der Sicherheit produziert. Zudem soll durch rücksichtsvolles Vorgehen im Umgang mit der Bevölkerung das Vertrauen in die staatlichen Sicherheitskräfte verstärkt werden. Nur so wird man an die zum Einsatz gegen die Aufständischen wertvolle Information gelangen. Für die Sache der offiziellen Ordnungshüter lassen sich dann von selbst weitere Informanten gewinnen, wenn die öffentliche Meinung davon überzeugt ist, dass die staatlichen Kräfte schliesslich obsiegen werden. So verstärkt sich die Wechselwirkung zwischen Sicherheit und Information solange positiv, bis der Untergrundbewegung die Basis entzogen und die Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle unterbunden worden ist.

5. Welche Folgerungen lassen sich für Führung und Ausbildung der Füs im Ter Rgt ableiten?

5.1. Führung

Im Lichte der für den Staat existentiellen Bedrohung, die von Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle ausgeht, stellt sich die Frage, ob die Verantwortung der Einsätze zur allgemeinen Existenzsicherung in allen Fällen in die Hände der zuständigen zivilen, d.h. lokalen oder regionalen, Behörde gelegt werden kann resp. soll. Denn einerseits fehlt ihr zur Koordination und zur Zusammenfassung aller zu Verfügung stehenden Machtmittel sowie zur Abstimmung der Vorgehensweisen mit den realisierbaren Zwischenzielen zwecks strategischer Zielerreichung die notwendige operative Schulung, andererseits ist gerade die zuständige zivile Behörde ab einer gewissen Eskalationsstufe der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle wegen gegnerischer Einschüchterung nicht mehr vertrauenswürdig resp. nicht mehr fähig, ihrer Verantwortung vollends nachzukommen. Soll sich der Synergieeffekt einstellen, welcher einzig durch Gleichzeitigkeit, Kreativität, Einsatztiefe, Verbund und durch einheitliches Zielbewusstsein über alle Ebenen der Konfliktaustragung hinweg erzielt werden kann, so darf ein Einsatz nicht einfach auf operativer oder strategischer Ebene beschlossen werden und dann dessen Ausführung auf die taktische Ebene delegiert werden. Einzelne Schlachten können durchaus dank taktischer Brillanz gewonnen werden. Doch ohne eine gemeinsame, kognitiv erarbeitete Zielausrichtung aufgrund strategischer, operativer sowie taktischer Überlegungen, kann auch eine Aneinanderreihung von taktischen Erfolgen zu operativen Niederlagen und schliesslich in eine strategischen Sackgasse führen. Will man eine Kampagne erfolgreich zum Abschluss bringen, so muss jede Ebene auf ihrer Stufe das Ihrige zur Zielerreichung in einer untereinander harmonisierenden Vorgehensweise zutun. Hält man sich also die Verwendung der Füsiliere des Territorialregimentes (Schutzinfanterie) in einer Bedrohungslage unterhalb der Kriegsschwelle vor Augen, so kann das Prinzip der Subsidiarität nur eingeschränkt gelten. Denn mit zunehmend politisch motivierter organisierter Eskalation der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle muss die Einsatzverantwortung auf wenigstens operativer, wenn nicht gar auf strategischer Ebene liegen.

Auf der Ebene der Taktik muss das Militär erlernen, die in einem Einsatzgebiet vorhanden zivilen wie auch paramilitärischen Mittel unter einheitlicher Kommandogewalt zu bringen. Dabei geht es in erster Linie um Datenerfassung und -verarbeitung zwecks Informationsbeschaffung im Hinblick auf eine taktische Zielerreichung. Gleichzeitig gilt es, die Organisation der Truppen und Formationen (OTF) und deren Mittelzuweisung den Anforderungen des Umfeldes eines LIC anzupassen: So sind neben Sprenstoffspezialisten, Spezialisten im Bereich der psychologischen Kriegführung auch Spezialisten zur Informationsbeschaffung resp. -verarbeitung schon auf unterster taktischer Stufe notwendig. Auch ist eine Schulung aller Offiziere in der Technik der Gesprächsführung unabdingbar.

Im Bereich der Gefechtstechnik gewinnt die Verhältnismässigkeit der Gegengewaltsanwendung einen prominenten Stellenwert. Anders wie bei konventionell offen ausgetragenen bewaffneten Konflikten zweier Staaten, muss in einem LIC ein Gegner bezwungen werden, der vom Rest der Zivilbevölkerung nicht durch Äusserlichkeiten wie Uniform oder offenes Tragen von Waffen zu unterscheiden ist.

Der Gegner kann sich somit frei und unbemerkt im zivilen Umfeld bewegen, was ihm Vorteile gegenüber Uniformierte verschafft:

Der Gegner:

1. (er)kennt Militärangehörige;

2. kennt Disposition und Absicht von Militäreinheiten;

3. hat für seine Aktionen ein abgestimmtes Einsatzverfahren und die dafür ausgewählte Bewaffnung;

4. ist vorbereitet;

5. kann jederzeit, überall zuschlagen und danach sogleich im zivilen Umfeld untertauchen.

 

Damit nicht Unschuldige zu Schaden kommen, dadurch die Spirale der Gewalteskalation in Gang gesetzt und somit in die Hand der politische Absicht des Gegners gespielt wird, muss zielgerichtet und dosiert unterstützt mit psychologischen Kampfmitteln Gegengewalt anwendet werden.

Die Verhältnismässigkeit in der Gegengewaltsanwedung wird über sogenannte "rules of engagement" (ROE) d.h. Einsatzregeln wie z.B. Weisungen über den Schusswaffengebrauch, Verhaltensregeln oder Weisungen über den Einsatz von "non lethal weapons" einerseits, andererseits durch geschultes und situativ richtiges Verhalten eines jeden Wehrmannes erreicht. So ist es auch wichtig, jedem Soldaten auch den operativen Wert von nicht militärischen Vorgehensweisen wie z.B. Nahrungsmittelverteilung oder Evakuation resp. Umsiedelung einzuimpfen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Beschränkung von Gewaltanwendung wider der Natur des Soldaten ist. Zumal auf der einen Seite konventionell auf der anderen Seite dagegen verdeckt gekämpft wird- also eine Asymmetrie zwischen uns und dem potentiellen Gegner im Vorgehen existiert.

Damit ein Einsatz im Assistenzdienst vom Volk politisch getragen wird, bildet aber genau die Einhaltung der vorgeschriebenen Vorgehen zur Gewalteinschränkung im Lichte der gegnerischen Provokation sowie im Spiegel der gegnerischen perfid uneingeschränkt ausgeführten Gewalttaten die Grundlage.

Eigene Gewalteinschränkung ist jedoch nur bei solchen Einheiten durchzusetzen, bei denen Disziplin eisern gelebt, gefordert und durchgesetzt wird.

So muss die Schutzinfanterie

A

usdauer beweisen ð sei hartnäckig in Deinen Forderungen;

ð hinterfrage den status quo;

ð sei psychisch und physisch belastbar.

S

elbstbeherrschung üben ð halte Mass;

ð beherrsche die Angst, indem Du sie überwindest;

ð zeige Gelassenheit gegenüber Provokation;

ð sei bescheiden;

ð achte auf Dein Äusseres und halte Sauberkeit.

A

ufmerksamkeit schenken ð achte auf jedes scheinbar noch so bedeutungsloses Ereignis

ð pflege das Detail;

ð achte Deinen Mitmenschen als Gleichwertigen.

I

nitiative zeigen ð sei offen gegenüber Neuem;

ð gehe voran;

ð werde Deiner Verantwortung resp. Aufgabe gerecht.

ð Arbeit im Sinne des Ganzen

A

ufrichtigkeit vorleben ð lüge nicht

G

ehorsam sein ð befolge Befehle, sofern diese keine unverhältnismässige Opfer fordern oder gegen das Kriegsvölkerrecht verstossen

 

5.2. Ausbildung

Verbandsausbildung Stufe Trupp, Gruppe und Zug

Das Aufgezeigte verdeutlicht, dass in der Verbandsausbildung der Schutzinfanterie eine Kurskorrektur notwendig ist. Das Schwergewicht der Verbandsausbildung muss neben den schon eingeführten Standardverhalten (Objektschutz, Zutritts- und Zufahrtskontrolle, Verkehrskontrolle, Durchsuchen von Fahrzeugen, objektbezogene Überwachung, Freihalten von Zu- und Wegfahrten, Verkehrsleitmassnahmen) auf einzelne Bereiche verlagert werden, die sonst der Kampfinfanterie vorbehalten sind:

Für den gefechtstechnisch erfolgreichen Einsatz der Schutzinfanterie müssen also auch

geschult werden. Erst wenn der Füsilier des Territorialregimentes gefechtstechnisch als kombattanter Füsilier gefestigt ist, soll sich dieser im Bereich von den im Rahmen seiner Schaffung eingeführten Standardverhalten spezialisieren. Denn Dissuasion durch Präsenz alleine genügt nicht, ohne das Vermögen den dadurch nach Aussen manifestierten Willen zum Schutz der Bevölkerung mit erfolgreichen Aktionen Nachdruck und zugleich Glaubwürdigkeit zu verleihen, um in einem LIC die Initiative an sich zu reissen und erfolgreich zu beenden. Soldaten, die nicht auf das Feuer eines Heckenschützens zu reagieren wissen; eine Füsiliergruppe, die auf Patrouille in einem gegnerischen Feuerüberfall aufgerieben wird; ein Zug, der ein gegnerisches Schutzhaus nicht nehmen kann oder seinen eigenen Standort nicht zu verteidigen vermag; sie alle können ihrer Hauptaufgabe, der Schutz der Bevölkerung, nicht nachkommen und verlieren damit erstens das Vertrauen und zweitens jegliche dissuasive Wirkung gegenüber dem Gegner.

Einsatznachbearbeitung (After Action Review)

Unschwer ist zu erkennen, dass im Einsatzumfeld der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle der einzelne Soldat unter enormen psychischen Druck steht: Die Schutzinfanterie muss in Übereinstimmung mit dem Haager Recht (1907) Waffe und Uniform offen tragen und ist somit für seinen potentiellen Gegner, welcher als nichtstaatlicher Akteure nicht an dasselbe Recht gebunden ist und sich deshalb getarnt im zivilen Umfeld bewegen kann, klar zu erkennen. Neben dieser offensichtlichen Asymmetrie der Vorgehensweisen, welche dem Gegner die Überraschung in jedem Fall zusichert, da dieser Ort, Zeit, Mittel und Vorgehen nach seinem Gutdünken wählen kann, gesellt sich auch noch die notwendige Einschränkung der eigenen Gegengewaltanwendung durch Einsatzweisungen (rules of engagement) der politischen Behörden. Die erwähnte Unsichtbarkeit des Gegners verdeutlicht, dass Nachrichten über diesen vorallem über die Zivilbevölkerung und durch eigene Beobachtungen eines jeden Soldaten zu gewinnen sind. Der psychische Druck, der einerseits von der Tatsache des eigenen Exponiertseins und andererseits durch das Bewusstsein der gegnerischen Möglichkeiten erzeugt wird, rufen notgedrungen, besonders gepaart mit traumatischen Erlebnissen während eines Einsatzes, psychische Kampfreaktionen hervor. Diesen kann jedoch mit Aussicht auf gute Rekonvaleszentschancen begegnet werden, wenn der betroffene Soldat unverzüglich im Rahmen der eigenen Einheit von Kameraden und durch Direktvorgesetzten über seine Einsatzerlebnisse befragt wird. Der Patient wird erst dann ins Basisspital zurückgeschoben, falls sich innerhalb 72 Std. keine Verbesserung des psychischen Zustandes abgezeichnet hat. Die Befragung nach Erlebnisse im Anschluss eines Einsatzes (Debriefing) bezweckt zudem, neue Erkenntnisse über die gegnerische Doktrin und über die Tauglichkeit der eigenen Einsatzverfahren herauszuschälen, damit der eigene Mittelansatz den Vorgehensweisen resp. die eigene Vorgehensweisen dem zu Verfügung stehenden Mittelansatz zur Erreichung der gesteckten Zielen angepasst werden können.

Mit einer konsequent und systematisch durchgeführten Einsatznachbearbeitung (After Action Review) werden demnach drei Zielsetzungen gleichzeitig verfolgt:

  1. Reduktion von posttraumatischen Belastungsstörungen;
  2. ununterbrochenes Lernen und Verbessern der eigenen Einsatzdoktrin und
  3. ständige Nachrichtenbeschaffung.

Jeder Verband, sei dies eine Doppelpatrouille oder die Einheit, hat sich nach jedem Einsatz Rechenschaft darüber abzulegen, wie die Aktion resp. die Auftragserfüllung abgelaufen ist. Die untenstehenden Fragen sollen dazu konsequent vom jeweiligen Verbandsführer in Kooperation mit seinen Unterstellten erarbeitet und seiner vorgesetzte Stelle präsentiert werden.

Tabelle 2: Checkliste zur Einsatznachbearbeitung

Übungen gewinnen erst dann an Wert, wenn in einem Klima gegenseitigen Vertrauens gemeinsam erarbeitete Lehrpunkte internalisiert werden. Zu diesem Zweck soll die After Action Review (AAR) nicht nur im Einsatz angewendet, sondern ebenfalls in Übungsbesprechungen miteingebunden werden.

Tabelle 3: Ablauf einer Übungsbesprechung mit integrierter AAR

Übungsleiter

beübter Verband

  • befiehlt AAR, Zeit und Ort der U-Besprechung
  • befiehlt Markeure (Aufräumarbeiten oder Tpt)
  • führt mit UL Geh Auswertungsrapport durch
  • räumt sich Zeit ein, um seine Gedanken für die U-Besprechung zu sammeln (konzis-konkret-konstruktiv)
  • führt AAR mit seinem Vb gem Checkliste durch
  •  
    • Vb Fhr meldet Vb zur U-Besprechung bereit
  • repetiert Zielsetzungen der U (Vb-Leistung und Mannschaft)
  •  
     
    • Kurzpräsentation der Erkenntnisse und Konsequenzen aus der AAR gem Checkliste durch den Vb Fhr (nur was die Mannschaft betrifft)
  • "Wer ist der Meinung, diese Aktion wäre erfolgreich gewesen?… Teilerfolg?… totaler Misserfolg-Begründung?"
  • Mannschaft äussert begründet ihre Meinung
  • "Ich bespreche gemäss Zielsetzungen…"
  • erfüllt/ nicht erfüllt
  • praktischer Nagel
  • Ausbildungsbedürfnisse festhalten
  • Mannschaft wiederholt Nagel
  • Mannschaft wegtreten lassen
  • Vb Fhr gibt der Mannschaft Vorbefehle und schickt sie in einen Warteraum
  • Besprechung Kader

    • repetiert Zielsetzungen der U (Kader)
     
     
    • Kurzpräsentation der Erkenntnisse und Konsequenzen aus der AAR gem Checkliste durch das Kader (nur was das Kader betrifft)
  • "Was würden Sie das nächste Mal anders machen-wieso?"
  • Vb Fhr begründet seine Antwort
  • "Ich bespreche gemäss Zielsetzungen…"
  • erfüllt/ nicht erfüllt
  • praktischer Nagel
  • Ausbildungsbedürfnisse festhalten
  • Kader wiederholt Nagel
  • danach: Besprechung des Markeureeinsatzes und die Arbeit der UL Geh

     

    Schlusswort

    Jede Form des Krieges ist eine Anpassung an Umwelt und spiegelt die Lebensweise, die inner- sowie zwischengesellschaftlichen Einflussfaktoren der Antagonisten. Konventioneller Krieg ist in der Menschheitsentwicklung ein eher spätes Phänomen und wird weiterhin Anpassungen erfahren. LIC dagegen wird auch in Zukunft von Bedeutung sein, sogar an Wichtigkeit gewinnen. Denn die Technologisierung der Informatikgesellschaft bietet neue, günstige Angriffsflächen. Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle ist diejenige Form der Konfliktaustragung, welche erfolgreich politische wie auch ökonomische Zielsetzungen zu erreichen vermag. Dabei kann vollends auf teure Waffenplattformen wie z.B. Kampfpanzer oder Kampfflugzeuge verzichtet werden. Diese Waffen stellen Entwicklungen dar, die eigens für den Krieg im Industriezeitalter konzipiert worden sind, aber wertlos da wirkungslos gegen Netwar im Informatikzeitalter sind.

    In Gedanken muss zudem das ausgreifende Element der schweizerischen Sicherheitspolitik durch Friedensförderung im Auge behalten werden. Denn erst durch eine der Bedrohung der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle vollumfänglich angepasste Ausbildung kann die Schweizerische Armee in Zukunft ein für die Regierung tatsächlich wertvolles Instrument werden und im Rahmen der OSZE oder Partnerschaft für den Frieden im Ausland als alliierte Kraft eingesetzt werden.

     

    Literaturverzeichnis

    Abegglen, C. M. V. (1996). Information Warfare- Ein strategisches Mittel der Zukunft. Dastellung der Mittel, Möglichkeiten und Einsatzarten. Diplomarbeit ETH-Zürich, Abteilung für Militärwissenschaften und Militärische Führungsschule.

    Arquilla, J. und Ronfeldt, D. (1996). The Advent of Netwar. Santa Monica: RAND.

    Burkert, W. (1972). Homo Necans- Interpretation altgriechischer Opferriten und Mythen. Berlin: de Gruyter.

    Clutterbuck, R. (1990). Terrorism and Guerrilla Warfare- Forecast and Remedies. London: Routledge.

    Gallagher, J. J. (1992). Low Intensity Conflict- A Guide for Tactics, Techniques and Procedures. Harrisburg: Stackpole Books.

    Green, L. C. (1993). The Contemporary Law of Armed Conflict. Manchester: Manchester University Press.

    Griffith, S. B. (1978). Mao Tse Tung- On Guerrilla Warfare. New York: Anchor Press.

    Headquarters Department of the Army. (1993). Field Manual 100-5.

    Inspektor der Kampftruppen (1997). Lehrschrift Methodik der Verbandsausbildung.

    Kitson, F. (1991). Low Intensity Operations. London: Farber and Farber.

    O'Connell, R. L. (1989). Of Arms and Men: A History of War, Weapons and Agression. Oxford: Oxford University Press.

    O'Connell, R. L. (1995). Ride of the Second Horsman- The Birth and Death of War. Oxford: Oxford University Press.

    Schweizerische Armee (1994). Reglement 51.20 d Taktische Führung 95.

    Spillmann, K. R. (1993). Friedens- und Konfliktforschung. Vorlesung. ETH Zürich.

    Vogel, C. (1989). Vom Töten zum Mord- Das wirklich Böse in der Evolutionsgeschichte. München: Hanser.

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    1. Was versteht man unter Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle?

    1.1. Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle in Abgrenzung zum Krieg

    1.2. Formen von Gewalt

    1.3. Bedeutung der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle

    2. Wo liegen die Wurzeln der Gewalt?

    2.1. Inter- und intraspezifische Aggression

    2.2. Die entwicklungsgeschichtliche Erfahrung des Menschen

    2.3. Der Mensch in Abgrenzung zum Tier

    3. Was bewirkt Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle ?

    3.1. Terrorismus, Guerilla, Bürgerkrieg und Freiheitskampf

    3.2. Phasen der Gewalt unterhalb der Kriegsschwelle

    4. Wo liegen die Ansatzpunkte im eigenen Vorgehen?

    5. Welche Folgerungen lassen sich für die Führung und Ausbildung der Füs im Ter Rgt ableiten?

    5.1. Führung

    5.2. Ausbildung

    Schlusswort

    Literaturverzeichnis

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